Sonntag, 6. Januar 2013

Lesetagebuch: 50 Shades Of Grey


Kapitel 20:
Der erfolgreiche, starke, attraktive, potente Lover. Damit er nicht zu perfekt ist, hat er eine problematische Kindheit bzw. Jugend gehabt. Oder vollendet ihn gerade das, dass er sich eben „aus schwierigen Verhältnissen nach oben gearbeitet“ hat? Ana hat ja das Bedürfnis, ihn für die normale Liebe zu retten, für das, was sie als normale Liebe und normalen Sex empfindet. Für ihn ist es ja eher nicht normal, denn er ist ja inbezug auf sein Sexualleben ganz anders sozialisiert worden. Insofern finden beide ihre Art normal, wobei er sich bewusst ist, dass der Großteil seiner Umwelt das anders sehen. Aber so geht es doch nicht nur S/M-Freunden, sondern auch Schwulen, Lesben, Autoerotikern... Man könnte auch sagen, dass hier die Zuordnung des Empfindens ganz konventionell stattfindet: Frauen wollen Liebe, Männer wollen Sex. Bei Gott, wenn das so wäre, hätte ich weniger Sorgen! Frauen wie Männer wollen Liebe, und sie wollen auch Sex. Und sie wollen im Idealfall, dass beides zusammenfällt. Das ist auch das Schönste, keine Frage. Muss aber nicht immer (weder für sie noch für ihn).

Ist das hier eigentlich eine „klassische“ BDSM-Geschichte? Oder eine Mischung aus Paloma-Roman plus S/M-Komponente plus Pretty Woman, bei der Ana sich zwar eingangs nicht prostituiert – da ist sie ja noch die Unschuld vom Lande – aber doch Grey gegenüber immer wieder das Gefühl hat, gekauft zu werden, mit Laptops, Autos, Telefonen...

Eine weitere Beobachtung: Ana scheint ab ihrer ersten Begegnung mit Grey mehr oder weniger permanent erregt – jedenfalls steht sie ihm in jeder Lebenslage zur Verfügung, und etwaige Unbequemlichkeiten scheinen nie einem Mangel an Feuchtigkeit geschuldet. Das hätte ich jetzt als typisches Merkmal eines von einem Mann geschriebenen Erotikums gesehen: die stets verfügbare und willige Frau. Boshafter formuliert: Das Sexobjekt.

Versuche ich gerade aktiv, die Erzählung nicht zu mögen? So ähnlich wie Ana über den Pakt sinniert geht es mir mit dem ganzen Buch: Ich gebe zu, ich bin fasziniert, es ist in manchem eine neue Welt, die sich da zeigt – und gleichzeitig spüre ich einen gewissen Widerwillen weiterzulesen. Allerdings kann ich noch nicht ausmachen, woher dieser innere Widerstand kommt; es ist jedenfalls nicht die Erschlaffung nach angenehmer Erregung, die ja auch zu einem „genug erstmal“ führen kann. Ist es der Gedanke, dass die Erzählung wie eine Droge sich im Gehirn festsetzt und beginnt, mich selbst zu bestimmen? Immerhin ist es erst das zweite Mal, dass ich ein Lesetagebuch begonnen habe. Oder ist es …

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